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Preisträger 2008: Schnelle Diagnose! Neues Nachweisverfahren für Listerien in Milcherzeugnissen
Listerien sind stäbchenförmige Bakterien, die Infektionskrankheiten auslösen können. Sie kommen praktisch überall in unserer Umwelt vor und stellen eine große Herausforderung im lebensmittelproduzierenden Gewerbe dar. Die gesamte Größenordnung der durch das Vorkommen von Listerien in Lebensmitteln verursachten Schäden ist beträchtlich. Produkte müssen dann in größerem Maßstab vernichtet oder vom Markt zurückgerufen werden.Wichtig ist daher ein schneller Nachweis dieser Krankheitserreger: Die bisher übliche Untersuchung von Lebensmitteln auf Listerien einschließlich der Bestätigung verdächtiger Keime dauerte bislang bis zu zwölf Tage, ein negatives Ergebnis liegt frühestens nach fünf Tagen vor. Insbesondere für Produkte mit kurzer Haltbarkeit ist diese Zeitspanne nicht akzeptabel.
Ehrgeiziges Ziel
Ein Vorhaben der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF), das vom Forschungskreis der Ernährungsindustrie (FEI) koordiniert wurde, hatte zum Ziel, ein neues Verfahren für den schnelleren und zuverlässigen Nachweis von Listerien in Lebensmitteln – insbesondere Milcherzeugnissen – zu entwickeln. Dazu arbeiteten Wissenschaftler des Instituts für Lebensmittelwissenschaften, Ernährung und Gesundheit der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich sowie des Lehrstuhls für Hygiene und Technologie der Milch der Universität München sehr erfolgreich zusammen. Für die herausragenden Forschungsergebnisse erhielt Prof. Dr. Martin Loessner den Otto-von-Guericke-Preis 2008, mit dem die AiF herausragende Leistungen in der IGF würdigt.
Beachtliches Ergebnis
Unter Federführung von Prof. Loessner entwickelten die Wissenschaftler ein hochinnovatives Verfahren, das zur Separation von Listerien aus Lebensmitteln Enzyme statt der bisher angewandten Antikörper einsetzt. Die kleinen Proteine werden an paramagnetische Partikel – sogenannte Magnet-Beads – gekoppelt, die nach Immobilisierung der Zielzellen auf ihrer Oberfläche einfach und schnell aus Suspensionen und Flüssigkeiten isoliert und in sauberer Form dargestellt werden können. Zur anschließenden Detektion der Bakterien kann das effektive Separierungsverfahren mit zwei unterschiedlichen Methoden kombiniert werden. Die eingesetzten Proteine sind sehr stabil, durch ihre geringe Größe leicht zu handhaben und können preiswert und mit hoher Effizienz hergestellt werden.
Testreihen zur Validierung des neuen Verfahrens ergaben, dass es nicht nur schneller, sondern auch sensitiver und damit wesentlich leistungsfähiger ist als die bisher verwendeten Standardmethoden.
Die mit dem Standardverfahren zum Listeriennachweis mindestens fünf, im positiven Fall bis zu zwölf Tage dauernde Untersuchung konnte im Rahmen des IGF-Vorhabens auf nur ein bis zwei Tage verkürzt werden.
Große Wirkung
Neben einer beträchtlichen Einsparung an Arbeitszeit, Verbrauchsmaterial und Geräten ergeben sich aus der zeitlichen Verkürzung vielfältige wirtschaftliche Vorteile: Je schneller eine Kontamination nachgewiesen wird, umso schneller kann eine Entscheidung über die weitere Verwendung des betroffenen Produktes gefällt werden. Bei mehrstufiger Produktion werden die Prozesszeiten durch Freigabe des nächsten Arbeitsschritts nach nur einem Tag drastisch verkürzt. Bei kontinuierlicher Produktion wird durch das schnellere Erkennen einer Kontamination das Risiko weiterer Fehlproduktionen wesentlich verringert.
Breites Einsatzpotenzial
Die neue Methode ist von einem deutschen Mittelständler – der Profos AG mit Sitz in Regensburg (seit 2009: Hyglos GmbH) – zur Marktreife weiterentwickelt worden. Das Unternehmen, welches die beschichteten Magnet-Beads herstellt, ist aus einem Start-up herausgewachsen und hat mittlerweile mehr als 50 Mitarbeiter (Stand 2008). Damit steht diese effiziente Methode sowohl Betriebslaboren in der Lebensmittelindustrie als auch kommerziellen Untersuchungslaboratorien zur Verfügung.
Der Transfer in industrielle mikrobiologische Laboratorien und Untersuchungsanstalten ist bereits erfolgt. Außerdem besteht großes Interesse bei weiteren in- und ausländischen staatlichen Untersuchungsstellen und zahlreichen Unternehmen der Milchindustrie. Die Deutsche Milchindustrie ist mit einem Umsatzanteil von etwa 20 Mrd. Euro die leistungsstärkste Branche innerhalb der Ernährungsindustrie und zeichnet sich durch eine große Zahl leistungsfähiger mittelständischer Unternehmen aus. Insgesamt sind in der Milchindustrie rund 35.000 Beschäftigte in über 100 Unternehmen mit etwa 250 Betriebsstätten registriert. In naher Zukunft soll das neue System in Zusammenarbeit mit einem international tätigen Diagnostikunternehmen noch breiter vermarktet werden.
Doch damit nicht genug. Die Nutzung der innovativen Methode ist nicht auf die Milchindustrie beschränkt, sondern kann ebenso in anderen Bereichen, in denen eine Kontamination mit Listerien relevant ist, eingesetzt werden. Außerdem ist die aus diesem IGF-Vorhaben entstandene neue technologische Plattform bei gezielter Weiterentwicklung auch für den Nachweis von weiteren lebensmittelassoziierten Krankheitserregern geeignet.
Der Preisträger
Prof. Dr. Martin Loessner, Jahrgang 1963, studierte Biologie an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg und an der Wayne State University in Detroit, USA. Nach seiner Dissertation an der TU München folgten Forschungstätigkeiten an mehreren Universitäten im In- und Ausland. Im Jahr 2000 habilitierte er sich an der TU München. Seit 2003 ist Loessner Inhaber des Lehrstuhls für Lebensmittelmikrobiologie der ETH Zürich, der zu den international führenden in der Entwicklung und Anwendung von Bakteriophagen-basierten Methoden zur Separation und Identifizierung von Mikroorganismen gehört.
Projektbeteiligte
Forschungsstellen:
- Universität München, Lehrstuhl für Hygiene und Technologie der Milch
- Technische Universität München, Zentralinstitut für Ernährungs- und Lebensmittelforschung, Abteilung Mikrobiologie
- Eidgenössische Technische Hochschule Zürich
Institut für Lebensmittelwissenschaften, Ernährung und Gesundheit
Industriegruppe:
- Milchindustrie-Verband e.V., Berlin
(Stand: September 2008)
Forschungsvorhaben AiF 13433 N "Verkürzung und Optimierung des Nachweises von Listerien und L. monocytogenes in Milcherzeugnissen"
... ein Projekt der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF)