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Melanoidine: Gesundheitsfördernde Bräunungsprodukte in Kaffee, Brot und Bier
Schon seit langem ist bekannt, dass beim Rösten, Backen und Braten von Lebensmitteln durch komplexe Reaktionen von Kohlenhydraten mit Aminosäuren, Peptiden oder Proteinen verschiedene hochmolekulare Bräunungsprodukte entstehen, die Melanoidine. Es gilt die Faustregel: Je länger die Erhitzungszeiten und je höher die Erhitzungstemperatur, desto mehr Melanoidine werden gebildet.Vermutet, aber weitestgehend unerforscht war, ob diese Bräunungsprodukte positive funktionelle Eigenschaften und gesundheitliche Wirkungen haben. Im Rahmen des Vorhabens der Industriellen Gemeinschaftsforschung AiF 12403 N, das über den FEI via BMWi/AiF gefördert wurde, sollte dieser Frage nachgegangen werden.
Im Fokus standen dabei Kaffee, Brot und Bier – Lebensmittel, die sich einer hohen Verbrauchernachfrage erfreuen. Die Vertreter der Kaffee- und Backwarenindustrie sowie der Brauwirtschaft suchten nach Antworten auf folgende Fragen:
- Welche Auswirkungen hat die Struktur auf die antioxidativen und ernährungsphysiologischen Eigenschaften der Melanoidine in den jeweiligen Produkten?
- Wie lassen sich diese Eigenschaften technologisch gezielt modifizieren?
- Durch welche Herstellungsparameter kann die Melanoidinbildung optimiert werden?
Ziel des ersten Forschungsprojektes war es daher, den Gehalt und die antioxidative Wirksamkeit der in Kaffee, Bier und Brot enthaltenen Bräunungsprodukte zu erhöhen, um somit die oxidative Stabilität und die Farbe dieser Lebensmittel sowie die ernährungsphysiologischen Eigenschaften dieser Stoffklasse zu verbessern.
In einem anschließenden Gemeinschaftsforschungsprojekt (AiF 14085 BG) wurden speziell die hochmolekularen Kaffeeinhaltsstoffe untersucht, zu denen neben den Melanoidinen auch Polysaccharide zählen. Ziel war es, sowohl die antioxidativen als auch die ballaststoffartigen Eigenschaften dieser Stoffgruppen "unter die Lupe" zu nehmen. Es galt zu prüfen, ob die Kaffeeindustrie durch technologische Maßnahmen – wie eine Veränderung des Röst- oder Mahlgrades – oder durch die vorhergehende Rohstoffauswahl die physiologischen Wirkungen hochmolekularer Kaffeeinhaltsstoffe gezielt beeinflussen kann.
Im Verlauf des ersten Projektes wurden die Melanoidine der Produkte ab- und aufgetrennt, charakterisiert und das antioxidative Potential bestimmt. Ausgehend von den Bildungsmechanismen wurden Vorschläge zur Optimierung der Produkte entwickelt und experimentell untermauert.
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Leitsubstanz Pronyl-Lysin in Brot und Bier
Als wirksamstes Antioxidans konnte in der Brotkruste erstmals die Substanz Pronyl-Lysin identifiziert und quantifiziert werden, sowohl in Modellbroten als auch in kommerziell erhältlichen Broten. Diese Substanz besitzt eine sehr hohe antioxidative Kapazität und kann als Leitsubstanz für das antioxidative Potential dienen. Im Laborversuch zeigte Pronyl-Lysin bei menschlichen Darmkrebszellkulturen eine Erhöhung der Aktivität der Glutathion-S-Transferase und eine Hemmung der NADPH-Cytochrome-CReduktase. Daraus leiteten die Forscher eine antioxidative und chemopräventive Aktivität ab, die auch in tierexperimentellen Untersuchungen bestätigt wurde. Ebenso wurde der Nachweis der Biotransformation erbracht.
In weiteren Modellstudien wurde eine Steuerung des Pronyl-Lysin-Gehaltes untersucht. Der Gehalt kann durch gezielte Modifikationen (z.B. Zusatz von Casein, Backtemperatur und Backzeit) deutlich gesteigert werden.
Bei vier verschiedenen, stark unterschiedlichen Bieren zeigte sich, dass sich die antioxidative Kapazität gleichmäßig über die Molekularmassengruppen verteilt und mit der Farbaktivität korreliert. Pronyl-Lysin konnte ebenso in Bier nachgewiesen werden, jedoch in geringeren Mengen als im Brot. In den untersuchten Malzsorten zeigte sich die gleiche Korrelation zwischen Farbaktivität, antioxidativer Kapazität und Pronyl-Lysin-Gehalt wie beim Brot.
Die Ergebnisse zeigen, dass und wie es möglich ist, den Anteil der positiven Substanzen durch gezielte Prozesssteuerung zu steigern - sowohl bei der Herstellung von Brot wie von Bier. Weitergehende Untersuchungen seitens der Brauwirtschaft wurden bereits erfolgreich durchgeführt.
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Kaffee mit Potential
Mittels einer Warenkorb-Messung wurde festgestellt, dass Kaffee ein erheblich höheres antioxidatives Potential aufweist als andere Lebensmittel. Dies wurde vor allem in den niedermolekularen Bereichen lokalisiert. Das im Kaffee enthaltene starke Antioxidans Chlorogensäure trägt zwar stark zum antioxidativen Potential bei, den größeren Anteil zeigen jedoch die Bräunungsprodukte. Mit zunehmender Röstung sinkt der Gehalt der Chlorogensäure, die antioxidative Kapazität steigt jedoch an, um dann bei einer sehr starken Röstung wieder leicht abzufallen.
Das im Brot und Bier nachgewiesene Pronyl-Lysin ist im Kaffee nicht enthalten. Jedoch wurde eine weitere Verbindung erstmals in Kaffee identifiziert und quantifiziert, die antioxidativ wirksame Reaktionen induziert: N-Methylpyridinium.
Die für die Kaffeeröstereien besonders positiven Ergebnisse wurden in dem zweiten Forschungsvorhaben untersucht. Ziel war es, potentielle Effekte von hochmolekularen Inhaltsstoffen (Melanoidine und Polysaccharide) des Kaffeegetränks unter Dickdarmbedingungen zu untersuchen.
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Ergebnisse von wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Relevanz
Es wurde gezeigt, dass Kaffeekonsum zur Ballaststoffaufnahme beitragen kann, da Polysaccharide des Kaffeegetränks zum Ballaststoffkomplex gehören. Die Ballaststoffgehalte von Kaffeegetränken, die aus definierten Röstkaffeeproben zubereitet wurden, betrugen 0,29 bis 0,45 g/100 mL und waren abhängig von folgenden Parametern:
- Kaffeesorte: Columbia > Brazil und Robusta
- Röstgrad: dunkel und mittel > hell
- Mahlgrad: fein > mittelfein und
- Zubereitungsmethode: z.B. Espressokocher > Großbrühmaschine
Instantprodukte aus dem Handel wiesen Ballaststoffgehalte in ähnlichen Größenordnungen auf, mit einem Maximalgehalt von 0,65 g/100 mL.
Durch die Auswahl der Rohstoffe sowie durch Veränderung der Prozessparameter können Kaffeeröstereien die vielen positiven Eigenschaften von Kaffee verstärken und gezielt entsprechende Produkte mit gesundheitsförderndem Mehrwert entwickeln und vermarkten.
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Projektbeteiligte
Forschungsstellen:
- Universität Hamburg, Institut für Biochemie und Lebensmittelchemie, Abt. Lebensmittelchemie
- Deutsche Forschungsanstalt für Lebensmittelchemie (DFA), Freising
- Universität Kiel, Institut für Humanernährung und Lebensmittelkunde
- Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
Industriegruppen:
- Deutscher Kaffee-Verband e.V., Hamburg
- Verband Deutscher Großbäckereien e.V., Düsseldorf
- Wissenschaftsförderung der Deutschen Brauwirtschaft e.V., Berlin
(Stand: Oktober 2009)
Forschungsvorhaben:
- AiF 14085 BG "Untersuchung der mikrobiellen Abbaubarkeit höhermolekularer Kaffeemelanoidine"
- AiF 12403 N "Optimierung antioxidativer und ernährungsphysiologischer Eigenschaften von Bräunungsprodukten zur Qualitätsverbesserung von Kaffee, Brot und Bier"
... ein Projekt der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF)