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Leittechnologie für den Verbraucherschutz: Biosensoren ermöglichen Schnellnachweis von Antibiotika in Milch
Der Einsatz von Antibiotika bei Milchkühen ist unerwünscht, lässt sich jedoch nicht immer vermeiden – auch nicht in der ökologischen Landwirtschaft. So kann es trotz gesetzlicher Vorschriften und Überwachungsmethoden zu Rückständen von antimikrobiellen Substanzen in Milch kommen, die gesundheitliche Risiken für den Verbraucher darstellen können und hohe wirtschaftliche Schäden durch Produktionsausfälle und Entsorgungskosten in der Milch- und Lebensmittelwirtschaft verursachen. Um diese Risiken und Schäden zu vermeiden, werden bislang Eigenkontrollen in Molkereien durchgeführt, die bis zu drei Stunden dauern und keine Identifizierung und Quantifizierung des Wirkstoffs ermöglichen. Schnelltests sind zwar vorhanden, benötigen jedoch eine Reihe manueller Arbeitsschritte und erlauben nur den Nachweis einzelner Antibiotika-Gruppen. Ideal wäre eine vorgelagerte Erfassung möglichst vieler Arzneimittelrückstände bereits beim Erzeuger. Doch diese war bislang nicht möglich.
Der deutsche Milchindustrie-Verband initiierte daher über den FEI zwei ZUTECH-Projekte*, deren Ziel es war, ein effektives, schnelles Nachweisverfahren zur Erfassung von Antibiotikarückständen in Milch zu entwickeln, welches die notwendigen Untersuchungen bereits im vorgelagerten Bereich – idealerweise beim Milcherzeuger oder bei der Milcherfassung – ermöglicht.
* Schwerpunkt der im Initiativprogramm "Zukunftstechnologien für kleine und mittlere Unternehmen" (ZUTECH) geförderten IGF-Forschungsvorhaben ist die Erarbeitung branchenübergreifender Lösungen in interdisziplinärer Zusammenarbeit.
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Wegweisend für den Vor-Ort-Nachweis
Im Fokus des ersten Projektes stand zunächst die Entwicklung eines Chipbasierten Biosensors, der auch als Mikroarray-Chip bezeichnet wird. Dabei werden die Analytmoleküle (verschiedene Antibiotika) in definierter Menge räumlich getrennt und punktförmig als Spots ("Spotting") auf die Oberfläche eines Glaschips aufgebracht. Die "Erkennung" der gesuchten Substanzen in der Milchprobe erfolgt durch eine Antigen-Antikörper-Reaktion: Dabei werden umso weniger Antikörper an den Spots des Chip gebunden, je höher die entsprechende Analytkonzentration in der Milchprobe ist. Die Erzeugung eines messbaren Signals erfolgt durch die Zugabe eines Licht emittierenden Substrates, dessen Lichtintensität mit einer CCD-Kamera gemessen wird.Das gesamte Sensor-System rund um den Chip wird in einem kompakten Gerätegehäuse untergebracht und besteht aus mehreren Komponenten: Probenaufgabe, Flusszelle, Detektormodul und Steuerung durch einen Laptop außerhalb des Gehäuses. Nach Abschluss des ersten Projektes im Jahr 2004 war mittels des Biosensor-Systems der parallele Nachweis von elf Antibiotika möglich – ohne Probenvorbereitung und innerhalb von weniger als fünf Minuten.
Wegweisende Grundlagen für eine Vor-Ort-Erfassung von Antibiotika in Milchwaren mit diesen Ergebnissen geschaffen. Doch weiterer Forschungsbedarf war nötig, um das System für die Praxis weiterzuentwickeln: Die Erweiterung der Nachweispalette auf weitere praxisrelevante Antibiotika, eine Standardisierung des Spotting-Verfahrens sowie die Entwicklung robuster, regenerierbarer und reproduzierbarer Chips.
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Simultan, schnell und praxistauglich
Diese Entwicklung zur Praxistauglichkeit konnte im Rahmen des zweiten FEI-Projektes erreicht werden: Durch ein neues Spottersystem gelang die reproduzierbare Herstellung hochwertiger Chips, die sich durch eine bis 50fach wiederholbare Nutzung auszeichnen. Ebenso gelang die Konstruktion der softwaregesteuerten, mobilen Mikroarray-Ausleseplattform MCR3 (Microarray Chip Reader der 3. Generation). Innerhalb von5,5 Minuten können nun 13 verschiedene Antibiotika simultan nachgewiesen werden. Durchgeführte Praxistests zeigen eine ausgezeichnete Übereinstimmung mit den Resultaten aus den mikrobiologischen Hemmstofftests.
Mit 36.500 Beschäftigten, 234 Betriebsstätten und einem Umsatz von 22,3 Mrd. Euro in 2008 ist die Milchindustrie die stärkste Branche innerhalb der Ernährungsindustrie. Die Unternehmen der Milchindustrie sowie die über 100.000 milcherzeugenden Betriebe werden mit Hilfe des Biosensor-Systems Produktionsausfälle vermeiden und Folgekosten durch Entsorgung enorm verringern können. Sowohl Milcherzeuger als auch Milchverarbeiter profitieren dadurch gleichermaßen von den Ergebnissen der Forschungsvorhaben.
Um eine Verbreitung des entwickelten Gesamtsystems – bestehend aus Biochip und Messplattform – voranzutreiben, wird derzeit ein Evaluierungsprojekt durchgeführt. Das System wird voraussichtlich noch in diesem Jahr marktfähig sein. -
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Zweiminütigen Filmbeitrag des Milchprüfring Bayern e.V. zur Erläuterung des Biosensor-Systems MCR3 -
Projektbeteiligte
Forschungsstellen:
- Universität München
Lehrstuhl für Hygiene und Technologie der Milch - Technische Universität München Institut für Wasserchemie und Chemische Balneologie
(Stand: Februar 2010)
- Universität München
Forschungsvorhaben:
- AiF 197 ZN "Entwicklung eines schnellen Biosensorarrays zur online-Bestimmung antimikrobiell wirksamer Verbindungen in Rohmilch"
- AiF 32 ZN "Entwicklung eines miniaturisierten Biosensors zur Sicherung der Produktqualität in milchverarbeitenden Betrieben"
... ein Projekt der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF)