Hochspannende Technologie! PEF ermöglicht produktschonende Haltbarmachung und vielseitig nutzbaren Zellaufschluss


Wenn biologische Zellen mit extrem kurzen elektrischen Hochspannungs-Impulsen versetzt werden, verändern sich ihre Zellmembranen: Ihre Poren werden "aufgeschlossen". Bei Mikroorganismen resultiert dies in einem Verlust der Vitalität – ein gewünschter Effekt bei Verderbnis- oder Krankheitserregern; bei pflanzlichen oder tierischen Zellen hingegen führt der elektrische Aufschluss zu einer leichteren Gewinnung der Inhaltsstoffe sowie einer Strukturveränderung, die vielseitig genutzt werden kann. Das bis vor wenigen Jahren noch im Versuchsstadium befindliche Verfahren gepulster elektrischer Felder (Pulsed Electric Fields (PEF)) im Bereich der Lebensmittelverarbeitung steht derzeit an der Schwelle zum Durchbruch: Immer mehr Unternehmen steigen in den nächsten Jahren auf die PEF-Technologie um.
  • Erste Gehversuche zum Meilenstein


    Bedeutende Impulse für den Transfer der neuen Technologie in die Praxis lieferten fünf erfolgreich abgeschlossene FEI-Vorhaben der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF), die in den vergangenen 15 Jahren an verschiedenen Forschungseinrichtungen bundesweit durchgeführt wurden: Im Rahmen der beiden ersten IGF-Projekte (AiF 10611 N und AiF 12516 N)wurden Ausbeutesteigerungen bei verschiedenen pflanzlichen Rohstoffen (Weintrauben, Äpfeln, Johannisbeeren, Sanddorn und Quitte) von bis zu
    10 % erreicht, einschließlich der verbesserten Erhaltung einiger Inhaltsstoffe. Auch die gezielte nichtthermische Inaktivierung von produktschädlichen Keimen konnte durch den Einsatz von Hochspannungsimpulsen nachgewiesen werden. Ebenso konnte die Reifung von Rindfleisch durch den Zellaufschluss mittels PEF merklich beschleunigt werden.
    Ein erstes ZUTECH-Vorhaben (AiF 179 ZN) des FEI zur Anwendung dieser produktschonenden Verarbeitungstechnologie wurde 2005 – unter Beteiligung von fast 20 Unternehmen im Projektbegleitenden Ausschuss – initiiert. Ziel war es, ein umfassendes Prozesskonzept zur Gewinnung von Apfelsaft mittels PEF im Hinblick auf Zellaufschluss, Konservierung, Tresterverwertung und Konformität der Säfte zu erarbeiten. Zum Abschluss konnte eine umfassende Studie vorgestellt werden, die alle relevanten technischen und analytischen Aspekte beleuchtete. Im Rahmen der Versuche konnte zwar eine Ausbeutesteigerung von Apfelsaft nicht erreicht werden, eine erhöhte Entsaftung von Karotten war jedoch möglich. Ebenso konnte die Abtötung produktrelevanter Keime zur Konservierung der Säfte gezeigt werden. Auch wenn Teilziele des Projektes nicht erreicht werden konnten, stellte dieses Vorhaben einen wichtigen Meilenstein zur Beurteilung der PEF-Anwendung in der Praxis dar. Insbesondere für die Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus konnten wesentliche vorwettbewerbliche Kennwerte für den Bau von Anlagen im industriellen Maßstab ermittelt werden. Im Rahmen zweier weiterer FEI-Forschungsvorhaben wurde das Verfahren ab 2008 bis zur Industriereife weiterentwickelt.
    Zitat Willenborg
  • Erhöhung der Produktsicherheit


    Der Einsatz gepulster elektrischer Felder zur Verbesserung von Massentransportprozessen wurde am Beispiel der Behandlung von Rohpökelwaren (AiF 15460 N) untersucht. Dabei wurde eine Erhöhung der Diffusivität von Salz in Rohpökelwaren beobachtet, wodurch die Lagerzeit für das Salzen der Ware verkürzt werden kann. Neben dem geringeren zeitlichen Aufwand ist auch hervorzuheben, dass die gleichmäßigere Verteilung des Salzes im Produkt die Sicherheit in der Verarbeitung erhöht.
    Innerhalb eines weiteren Vorhabens (AiF 15885 N) wurden die Einsatzmöglichkeiten zur Entkeimung von Schlachttierblut untersucht. Es konnte eine Inaktivierung verschiedener Mikroorganismen um mehr als 5 Zehnerpotenzen nachgewiesen werden. Im Gegensatz zu einer thermischen Behandlung wurde keine Gerinnung oder Phasentrennung beobachtet. Die Aufarbeitung und Hygienisierung von Schlachttierblut könnte damit zukünftig einen breiteren Einsatz als Lebensmittelzutat bei Koch- und Brühwürsten ermöglichen und einen wesentlichen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten, da derzeit nur etwa 20 % der in Deutschland gewonnenen Menge Schlachttierblut genutzt werden. Neben dem Einsatz bei Blut eignet sich das Verfahren auch zur Entkeimung weiterer hitzesensibler Produkte, wie etwa Gewürzextrakte, Enzymlösungen oder Emulsionen.
    Im Rahmen eines derzeit laufenden Vorhabens (AiF 16798 N) werden die Einsatzmöglichkeiten zur Sterilisation von Suppen oder Milchprodukten bewertet. Es konnte bereits eine Inaktivierung von Sporen von Bacillus subtilis um 3-6 Zehnerpotenzen in Hefeextrakten erreicht werden, ohne dass das Produkt thermisch belastet wurde.
    Coconut
    Dies erlaubt die Entwicklung schonenderer Sterilisationsprozesse auch bei Produkten mit Neigung zum Anbrennen oder bei stückigen Inhaltsstoffen. Auch andere hitzelabile Produkte wie Frucht- oder Gemüsesäfte, Kokosnusswasser oder proteinhaltige Medien wie Flüssigei, Milchprodukte, Saucen oder Dressings können schonend entkeimt werden.
  • Zellaufschluss: Nicht nur zum sanften Entsaften


    Am Rande der verschiedenen Projekte konnte ebenfalls gezeigt werden, dass der Zellaufschluss mittels PEF nicht nur für die Entsaftung genutzt werden kann. Durch die erleichterte Diffusion von Wasser konnte zugleich eine beschleunigte Trocknung von Kartoffeln, Äpfeln oder Karotten aufgezeigt werden. Ein besonders vielversprechendes Anwendungsfeld stellt die Strukturbeeinflussung pflanzlicher Gewebe dar. Der induzierte Austritt von Zellflüssigkeit führt zu einer Veränderung der Textureigenschaften der Produkte. Eine Anwendung bei Kartoffeln ermöglicht auch eine Verbesserung des Schnittbildes sowie – durch die Extraktion reduzierender Zucker – eine Verringerung der Acrylamidbildung.
    Pommes frites

    Zitat Rühle

    Weitere Anwendungsmöglichkeiten liegen in einer Effizienzsteigerung bei der Herstellung von Gewürz-, Farbstoff oder anderen Extrakten aus pflanzlichen Produkten. Als Beispiel kann die Gewinnung antioxidativ wirksamer Anthocyane aus Wein genannt werden. Wesentliche Vorteile des Verfahrens sind eine geringe thermische Belastung, der Erhalt der nativen Produkteigenschaften und die kontinuierliche Betriebsweise bei Prozesszeiten im Bereich weniger Sekunden.
  • In der Praxis angekommen


    Anlage
    Erste Unternehmen setzen das PEF-Verfahren bereits zur Verlängerung der Haltbarkeit frisch gepresster Produkte ein. Derzeit sind in Deutschland, Großbritannien und in den Niederlanden frische, nicht-pasteurisierte Fruchtsäfte auf dem Markt, deren Haltbarkeit durch das Verfahren von 7 auf 21 Tage verlängert werden konnte. Auch in der Kartoffelverarbeitung wird PEF bereits genutzt. Die aufgeführten FEI-Projekte waren damit eine richtungsweisende "Starthilfe" für die PEF-Technologie.
  • Projektbeteiligte


    Forschungsstellen:

    Industriegruppen:
    • Bundesverband der Deutschen Fleischwarenindustrie e.V. (BVDF), Bonn
    • Verband der Fleischwirtschaft e.V. (VDF), Bonn
    • VDMA – Fachverband Nahrungsmittel- und Verpackungsmaschinen e.V., Frankfurt
    • Verband der Deutschen Fruchtsaft-Industrie e.V., Bonn
    • Forschungskuratorium Maschinenbau e.V., Frankfurt
    • Verband der Suppenindustrie e.V., Bonn
      (jetzt: Verband der Hersteller kulinarischer Lebensmittel e.V., Bonn)

    (Stand: Juni 2012)




Forschungsvorhaben:


... ein Projekt der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF)

Förderhinweis