- Projekte
- > Best-Practice-Projekte
- > Februar 2014
Gerste - nicht nur fürs Brauen gut! Verfahren zur Nutzung von beta-glucanreichen Mehlen in Backwaren, Nudeln und Snacks
In Brauereien und Brennereien darf sie als Rohstoff nicht fehlen, auch als Tierfutter wird sie gern genutzt: die Gerste. Ihr großes Plus: Sie ist das Getreide mit dem höchsten Beta-Glucan1-Gehalt. Die löslichen Ballaststoffe machen das frühere Grundnahrungsmittel, das vor allem in Suppen und Breien eingesetzt wurde, ernährungsphysiologisch so wertvoll. Dennoch war Gerste als Getreidemehl im heutigen Grundnahrungsmittel Brot bislang uninteressant: Sie galt als nicht backfähig, da sie durch das enorm hohe Wasserbindungsvermögen der Beta-Glucane die Strukturbildung von Weizen- und Roggenbroten ordentlich durcheinander bringt – ein Problem, das lange Zeit nicht lösbar schien.
Zugleich konnten die gesundheitlichen Vorzüge einer beta-glucanreichen Ernährung durch klinische Studien belegt werden: Mit einer erhöhten Beta-Glucan-Aufnahme kann ein wesentlicher Beitrag zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus, Übergewicht und Darmkrebs geleistet werden. Der positive Einfluss von Beta-Glucan auf den Cholesterin- und Blutzuckerspiegel wurde von den amerikanischen wie europäischen Behörden für Lebensmittelsicherheit (FDA und EFSA) ebenfalls anerkannt; Unternehmen dürfen daher ihre betaglucanreichen Hafer2- oder Gerstenprodukte mit den entsprechenden gesundheitsbezogenen Angaben – gemäß Health-Claims-Verordnung (EU-VO 432/2012 und 1048/2012) – bewerben, wenn mindestens 1 g Beta-Glucan in einer Portion verzehrsfähigem Produkt enthalten ist.
Mühlen und Bäckereien standen daher vor Herausforderungen, die nur durch ein Forschungsprojekt zu lösen waren:
- Wie lassen sich Mehle mit einem für die Health-Claim-Verordnung ausreichenden Beta-Glucan-Gehalt gewinnen?
- Wie lassen sich diese Mehle und Mahlfraktionen zu Back- und Teigwaren sowie zu Snacks verarbeiten? Welche Wechselwirkungen gehen dabei die Beta-Glucane mit anderen Rezepturbestandteilen ein? Wie wirkt sich ihr Einsatz auf Textur und Geschmack aus?
1 Beta-Glucane sind Polysaccharide, deren Glucose-Moleküle durch eine ß-glycosidische Bindung miteinander verknüpft sind; sie werden den löslichen Ballaststoffen zugeordnet.
2 Auch Hafer zählt zu den beta-glucanreichen Getreidesorten.
-
Forschung findet Antworten
Wissenschaftler des Deutschen Instituts für Lebensmitteltechnik (DIL) in Quakenbrück und des Instituts für Lebensmittel- und Umweltforschung (ILU) in Nuthetal widmeten sich im Rahmen eines Projektes der Industriellen Gemeinschaftsforschung, das über den FEI durchgeführt wurde, diesen und weiteren Fragen rund um den Einsatz von Beta-Glucanen aus Gerste und Hafer. Bei den Untersuchungen wurden die beiden Wintergersten "Waxyma" und "Metaxa" sowie Hafer in zwei Varianten verwendet: Haferganzkorn und Hafervollkornmehl. Es konnten Empfehlungen für die Vermahlung in der Praxis erarbeitet werden, wie beta-glucanreiche Fraktionen mit möglichst geringem Aufwand und hoher Ausbeute gewonnen werden können.
-
Beta-Glucane unter der Lupe
Zur analytischen Untersuchung der Beta-Glucane wurden zwei unterschiedliche Verfahren eingesetzt: So erfolgte die Messung des Beta-Glucan-Gehalts zum einen durch eine enzymatische Methode mit photometrischem Nachweis, zum anderen durch eine gaschromatographische Methode. Beide Methoden wurden im Laufe der Untersuchungen optimiert und angepasst. Neben der Untersuchung weiterer Inhaltsstoffe (z.B. Rohprotein, Mineralstoffe, Stärke) wurden auch einige physikalische Parameter wie Farbe, Partikelgrößenverteilung und Partikeldichte bestimmt; ebenso wurden das Verkleisterungsverhalten gemessen und rheologische Untersuchungen erhitzter Mehl-Wasser-Suspensionen durchgeführt.
Im Fokus der Forschungsarbeiten standen die funktionellen Eigenschaften von Beta-Glucanen in ihrer Wechselwirkung mit anderen Mahlprodukten von Brotgetreide (Roggen und Weizen). So wurde festgestellt, dass bei den qualitätsbestimmenden Strukturbildungsvorgängen im Teig die Menge und die Verfügbarkeit von Wasser eine Schlüsselrolle spielen: Beta-Glucane reagieren mit frei verfügbarem Wasser sehr intensiv. Dies führt dazu, dass die Strukturbildung im Teig – die Grundlage für die Porenstruktur in Backwaren – gestört wird. Ausgehend von diesen Erkenntnissen war es erforderlich, beim Einsatz von beta-glucanreichen Mehlen die üblichen Verfahren der Verarbeitung von Getreidemahlerzeugnissen zu Back- und Teigwaren zu modifizieren. So müssen alle qualitätsbestimmenden Strukturbildungsvorgänge erfolgen, bevor die glucanreichen Rohmaterialien mit den übrigen Getreidekomponenten in Kontakt kommen.
Im Rahmen der Versuche konnten schließlich Rezepturen und Herstellungsverfahren erarbeitet werden, die die Entwicklung einer breiten Palette Brote – Weizenbrote, Roggen(misch)brote oder Toastbrote in handelsüblicher Qualität – mit einem Anteil von mindestens 1 g Beta-Glucan pro 100 g verzehrsfähigem Produkt ermöglichen. Ein cholesterinsenkender Effekt darf daher gemäß Health-Claims-Verordnung bei diesen Produkten ausgelobt werden. Ebenso zeigte sich, dass Backwaren mit betaglucanreichen Endospermfraktionen eine verlängerte Frischehaltung – ohne den Einsatz sonstiger Zusatzstoffe - aufweisen.
-
Flips und Co. mit Mehrwert
Beta-glucanreiche Fraktionen eignen sich auch ideal für extrudierte herzhafte Snacks: So konnten Vollkornmehle unter Zusatz verschiedener Gewürze extrudiert werden, bei denen aufgrund der geringen Gesamtwassermenge keine negative Beeinflussung der Strukturbildungsvorgänge durch die Beta-Glucane stattfand. Neben Handwerksbäckereien, Großbäckereien und Backzutatenherstellern können somit auch Snackproduzenten von den Ergebnissen profitieren – und ebenso Verbraucher, die Lebensmittel mit gesundheitlichem Mehrwert schätzen.
-
Projektbeteiligte
Forschungsstellen:
- Deutsches Institut für Lebensmitteltechnik e. V. (DIL), Quakenbrück
- Institut für Lebensmittel- und Umweltforschung e. V. (ILU), Nuthetal
Industriegruppen:
- Der Backzutatenverband e. V.,Berlin
(Stand: Februar 2014)
Forschungsvorhaben AiF 16651 BG "Anwendung von ß-glucanreichen Endospermfraktionen in getreidebasierten Lebensmitteln"
... ein Projekt der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF)